Matthias Bonitz
Musikalische Begegnungen
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04 Jun 2020

Hommage an Paul Celan

Libretto zum Oratorium Tenebrae 75, Texte Psalmen aus AT und Paul Celan für: Sopran-Cello - Orgel

 

Ps 22,2

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, / bist fern meinem Schreien, den Worten meiner Klage?

 

Ps 22,3

Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort; / ich rufe bei Nacht und finde doch keine Ruhe.

 

Ps 25,2

Mein Gott, auf dich vertraue ich. Lass mich nicht scheitern,

 

 

Ps 25,20

Erhalte mein Leben und rette mich, / lass mich nicht scheitern! / Denn ich nehme zu dir meine Zuflucht.

 

Schma`JIsrael Adonai elohenu Adonai echat.[1]

Höre, Israel, ich bin der Herr, dein Gott.19

Ps 79,2 Gesegnet sei sein herrlicher Name.

Ps 28,1

 

 

Von David.] Zu dir rufe ich, Herr, mein Fels. / Wende dich nicht schweigend ab von mir! Denn wolltest du schweigen, / würde ich denen gleich, die längst begraben sind.

 

 

 

Tenebrae

Paul Celan

(* 1920 + 1970)

 

Nah sind wir, Herr,

nahe und greifbar.

 

Gegriffen schon, Herr,

ineinander verkrallt, als wär

der Leib eines jeden von uns

dein Leib, Herr.

 

Bete, Herr,

bete zu uns,

wir sind nah.

 

Windschief gingen wir hin,

gingen wir hin, uns zu bücken

nach Mulde und Maar.

 

Zur Tränke gingen wir, Herr.

 

Es war Blut, es war,

was du vergossen, Herr.

 

Es glänzte.

 

Es warf uns dein Bild in die Augen, Herr.

Augen und Mund stehn so offen und leer, Herr.

 

Wir haben getrunken, Herr.

Das Blut und das Bild, das im Blut war, Herr.

 

Bete, Herr.

Wir sind nah.


[1] In Celans Leseexemplar von Kafkas Erzählungen findet sich innen am Umschlag folgende Eintragung von Celan (handschriftlich) auf hebräisch

Quelle: Literatur und Religion – Januar 2006 – Essay:

Hubert Gaisbauer: Aufmerksamkeit fordernd, aber zu Grunde interpretiert


 

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